Nachricht | Erbbaurecht

«MIETENmove! Demonstration Hamburg 2018-06-02» CC BY-NC 2.0, Rasande Tyskar, via Flickr

Das Erbbaurecht ist ein Instrument, mit dem eine Kommune ihre Grundstücke Dritten zur Nutzung überlassen kann, diese jedoch nach einer festgelegten Frist der Kommune wieder zur Verfügung stehen. Dazu vergibt die Kommune das Erbbaurecht für ein in ihrem Besitz befindliches Grundstück an eine*n Erbbaurechtsnehmer*in. Nach Ablauf der Frist gehen sämtliche Bauten auf dem mit dem Erbbaurecht belegten Grundstück gegen eine Ablöse (wieder) in den Besitz der Kommune über
Eine Kommune, die Erbbaurechte für ihre Grundstücke vergibt, muss diese Grundstücke nicht selbst entwickeln, kann aber im Rahmen des Erbbaurechtsvertrags über die Nutzung mitentscheiden. So kann Spekulation direkt verhindert und demokratische Kontrolle der Bodennutzung ermöglicht werden. Zudem generiert dieses Instrument durch den Erbbauzins kontinuierliche Einnahmen für die Kommune.

Ziele des Instruments

  • Sozialverträgliche Nutzung kommunaler Grundstücke sicherstellen
  • Spekulation verhindern
  • Bodenpreisentwicklung dämpfen
  • Private Investor*innen zu sozialverträglichem Bauen und Vermieten verpflichten
  • Kommunale Liegenschaften erhalten


Wirkungsweise

Die Kommune schließt über ein bebautes oder unbebautes Grundstück in kommunalem Eigentum einen Vertrag mit einem*r Erbbauberechtigten (z.B. Familie, Unternehmen, Verein, Genossenschaft, …) über einen begrenzten Zeitraum (meist zwischen 75 und 99 Jahren) ab. Die Vertragspartner*innen einigen sich in diesem Vertrag auf einen jährlich zu entrichtenden Erbbauzins und Bedingungen des Erbbaurechts, deren Nichteinhaltung zu einer einseitigen Auflösung seitens der Erbbaurechtsgeberin führen würde (Heimfall). So kann die Kommune eine festgelegte Nutzung des Grundstückes sicherstellen. Zu diesen Bedingungen kann etwa die Verpflichtung der Gewährung günstiger Mieten gehören. Darüber hinaus kann auch die Option zur Verlängerung der Laufzeit festgeschrieben werden.
Der Abschluss des Vertrags ähnelt dem Verfahren zum Grunderwerb: Es ist eine Grunderwerbssteuer zu entrichten, der*die Erbbaurechtsnehmer*in wird auf einem Erbbaurechtsblatt im Grundbuch eingetragen. Der jährliche Erbbauzins beträgt in der Regel 2 bis 4 % des Baulandwerts.
Das Erbbaurecht trennt das Eigentum am Grundstück vom Eigentum an darauf stehenden Gebäuden. Falls die Kommune das Erbbaurecht für ein bebautes Grundstück vergibt, verkauft sie gleichzeitig die darauf befindlichen Gebäude an den*die Erbbaurechtsnehmer*in. Falls die Kommune ein unbebautes Grundstück verkauft, fungiert der*die Erbbaurechtsnehmer*in als Bauherr*in für zu errichtende Gebäude. Am Ende des Erbbaurechts kauft die Kommune die auf dem Grundstück befindlichen Gebäude (zurück). Erbbaurechte sind eigentumsgleich in Bezug auf Rechte, Pflichten und Abgaben. Beispielsweise muss der*die Erbbaurechtsnehmer*in die Grundsteuer zahlen und darf neue Gebäude auf dem Grundstück bauen.


Vorteile

  • Grund und Boden verbleiben im Eigentum der Kommune.
  • Der*die Erbbaurechtsnehmer*in kann langfristig mit dem Grundstück planen.
  • Es ist kein großes Startkapital notwendig, um ein Erbbaurecht zu erhalten. So können auch Wohnungseigentümer*innengemeinschaften etc. in Besitz von Grundstücken kommen.
  • Die Kommune erhält nicht nur mittelfristig mehr Geld als durch einen direkten Verkauf des Grundstücks, sondern kann den Bau bzw. die Nutzung der Gebäude über vertragliche Vereinbarungen mitgestalten (z.B. Miethöhe). Dabei mobilisiert sie das Kapital des*der Erbbaurechtsnehmer*in, muss sich also für Um- oder Neubau auf eigenen Grundstücken nicht verschulden.
  • Das Grundstück bleibt Teil des kommunalen Vermögens, was im Sinne einer nachhaltigen Haushaltspolitik ist.
  • Die Kommune kann während der Vertragslaufzeit den Erbbauzins an Markt- und Geldwertentwicklungen anpassen.
  • Wenn das Gebäude verkauft wird, übernimmt der*die Käufer*in alle Rechte und Pflichten aus dem Erbbaurechtsvertrag.
  • Die Einnahmen aus dem Erbbauzins können in einen Bodenfonds fließen, der den Erwerb von Grundstücken ermöglicht. Diese Grundstücke kann die Kommune dann wiederum in Erbbaurecht vergeben.
  • Die Dekommodifizierung der Grundstücke kann zur Dämpfung der Bodenpreisentwicklung beitragen.


Nachteile

  • Das Erbbaurecht stellt ein fallbezogenes Instrument dar.
  • Die Kommune muss gut über Erbbauzins und Auflagen verhandeln und die Ressourcen aufwenden, die Einhaltung der Auflagen zu überprüfen. Deshalb haben beispielsweise die Städte Frankfurt am Main und Wolfsburg eigene Sachbearbeiter*innen für die Grundstücke mit Erbbaurecht eingesetzt.
  • Die Kommune sollte die finanziellen Mittel besitzen, bei vorzeitiger Auflösung des Erbbaurechtsvertrags (Heimfall) oder regulärem Vertragsende für Gebäude auf dem Grundstück aufzukommen.
  • Wenn der Erbbauzins höher als der Kapitalmarktzins ist, ist das Erbbaurecht für Investor*innen unattraktiv, wodurch es für die Kommune schwierig werden kann, Entwickler*innen für Grundstücke zu finden.

Fallbeispiel

Die Ratsversammlung der Stadt Kiel beschloss 2018 für die mehr als sechzig städtischen Grundstücke, deren Erbbaurecht bis 2026 auslaufen würde, eine neue verbindliche Regelung für die Verlängerung des Erbbaurechts. Die Stadt verspricht sich hiervon unbürokratische und transparente Verfahren, die mit allen Vorgaben konform sind und gleichzeitig die Erbbaurechtsnehmer*innen nicht zu stark belasten.
Den Erbbaurechtsnehmer*innen wird zum Ende des Erbbaurechts die Wahl gelassen, ob sie den Vertrag einfach auslaufen lassen, das Grundstück zum Verkehrswert kaufen oder ein neues Erbbaurechtsverhältnis eingehen wollen. In letzterem Fall ist das Erbbaurecht auf 40 Jahre festgesetzt. Weiterhin wird vorgegeben, dass der Erbbauzinssatz gestaffelt zunimmt. So werden die ersten zehn Jahre jährlich nur 1,5 % des Grundstückswerts gezahlt, die letzten zehn Jahre jedoch 4 % (zuzüglich des regelmäßigen Inflationsausgleichs). Auf Antrag müssen Selbstnutzer*innen mit Wohnberechtigungsschein nur die Hälfte des Erbbauzinses zahlen. Zudem gibt es Regelungen zur Nachverdichtung und zum Umgang mit großen Grundstücken. Die Stadt nimmt an, dass der Nachlass auf den wirtschaftlichen Wert der Grundstücke mit diesem Verfahren meist über 50 % beträgt.
2019 beschloss dann die Ratsversammlung, dass der Verkauf unbebauter städtischer Grundstücke für Mehrfamilienhäuser ausgesetzt wird und diese Grundstücke vorrangig an die neu gegründete städtische Wohnungsbaugesellschaft in Erbbaurecht gegeben werden sollen. Zweitrangig sollen sie unter der Bedingung im Erbbaurecht an Investor*innen abgegeben werden, dass sie innerhalb von zwei Jahren bebaut werden. Zudem gibt es Zinsvergünstigungen für den Bau von förderfähigen Wohnungen (Quotenregelung für sozialen Wohnraum). Beispielsweise beträgt der Erbbauzins, wenn mindestens die Hälfte der Wohnbaufläche für förderfähige Wohnungen verwendet wird, maximal 3 %. Begründete Einzelfälle – genannt werden Konzeptvergaben und gewichtige städtische Ziele – dürfen von dieser Regelung abweichen.


Bewertung des Instruments

Das Erbbaurecht stellt ein Instrument dar, mittels dessen Kommunen Entwicklungsbedarfen begegnen können, ohne einerseits den öffentlichen Grund und Boden zu privatisieren oder andererseits von der Schuldenbremse an eigenen Bauplänen gehindert zu werden. Die Schuldenbremse ist allerdings auch das stärkste Argument, das gegen Erbbaurechte und für die Privatisierung öffentlicher Liegenschaften angeführt wird, bringt Letztere doch kurzfristig mehr Geld in die kommunalen Kassen. Wenn dem Verkauf eines Grundstücks nach Marktwert die Vergabe eines Erbbaurechts gegenübergestellt wird, wird jedoch deutlich, dass das Erbbaurecht bei einer theoretisch mööglichen Verzinsung von jährlich etwa 3 % des Baulandwerts und mit Wertsicherungsklauseln im Erbbaurechtsvertrag, die den Zinssatz anpassen, langfristig lukrativer für die Kommune ist. Eine kurzfristige Kalkulation engt so den eigentlichen Handlungsspielraum unnötig ein.
Ungeachtet dessen wäre es wichtig, solche Kalkulationen in den Hintergrund zu drängen und viel stärker die angestrebte Entwicklung zu fokussieren. Hier hat das Instrument nämlich seine Stärken: Die Kommune sollte bestimmte Nutzungsaspekte von vornherein festlegen. Dann könnte das Instrument um Konzeptvergaben ergänzt werden, bei denen die Grundstücke an die Nutzer*innen mit dem besten Konzept vergeben werden. So könnten auch zivilgesellschaftliche Akteure mit geringen finanziellen Ressourcen Grundstücke erhalten.
Unter privaten Investor*innen sind Erbbaurechte aus zwei Gründen wenig beliebt: Die Erbbauzinsen sind erstens derzeit oft höher als Zinsen für Bankkredite zum Kauf von Grundstücken. Zweitens vergeben Banken nur ungern Kredite für die Instandhaltung von Häusern, deren Erbbaurecht bald ausläuft.
Wenn sich die Vergabe von kommunalen Grundstücken an Nutzungskonzepten, nicht an Höchstgeboten orientiert und die Auflagen der Erbbaurechtsverträge strikt nach sozialen Gesichtspunkten formuliert werden, dann kann dies dazu führen, dass die Attraktivität öffentlicher Grundstücke für potentielle renditeorientierte Käufer*innen deutlich gemindert wird. Zudem fließt der Erbbauzins in die Erhebung der Gutachterausschüsse ein und kann so dämpfend auf die Bodenrichtwertentwicklung wirken. Eine konsequente und engagierte kommunale Erbbaurechtspolitik kann also dazu führen, dass öffentlicher Grundbesitz ausgebaut und die soziale Entwicklung öffentlicher Liegenschaften gefördert wird. Im Gegenzug sollte die Kommune bereit sein, Erbbaurechtsverträge attraktiv für Erbbaurechtsnehmer*innen zu gestalten.

Literatur

  • Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (Hrsg.) (2013): Gesetz über das Erbbaurecht. Berlin. Online verfügbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de.
  • Deutscher Erbbaurechtsverband e.V. (o.J.): Kommunale Immobilien. Online verfügbar unter: https://www.erbbaurechtsverband.de.
  • Dransfeld, Egbert (2018): Für eine neue Bodenordnung. Egbert Dransfeld im Gespräch mit Arno Brandlhuber. ARCH+ 231: 60-63.
  • Löhr, Dirk (2009): Ein Bodenfonds für die Ausgabe von Erbbaurechten als Instrument der Bodenpolitik. Working Paper No. 6 des Zentrums für Bodenschutz und Flächenhaushaltspolitik am Umwelt-Campus Birkenfeld (ZBF-UCB). Birkenfeld. Online verfügbar unter: http://clr.umwelt-campus.de.
  • Mross, Peter (o.J.): Das Lübecker Modell. Arbeitspapier. Online verfügbar unter: http://www.ini-erbbau-hl.de.
  • Stadt Kiel (2018): Neuregelungen der Konditionen für Erbbaurechtsverträge. Interfraktioneller Antrag der SPD-Fraktion unter Beteiligung der Ratsfraktionen CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, FDP. Drucksache 0282/2018. Online verfügbar unter: https://ratsinfo.kiel.de.

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