Zur Politik der Erinnerung an die Shoah in Deutschland und Europa
Im Rahmen der Reihe Kritische Nachwuchswissenschaftler_innen: Janine Doerry (Hannover): Erinnerungskultur für Europa? Zur Transnationalisierung und Universalisierung des Holocaust-Gedenkens und Ralf Steckert (Hannover – Lüneburg): »Pop-History«-X – Zur Universalisierung von Leiderfahrung und Gewaltausübung im kollektiven Gedächtnis der Berliner Republik
Janine Doerry (Hannover):
Erinnerungskultur für Europa?
Zur Transnationalisierung und Universalisierung des Holocaust-Gedenkens
In der zum Ende des letzten Jahrhunderts gegründeten Task Force for International Cooperation on Holocaust Education, Rememberance and Research (ITF) sind inzwischen 27 Mitgliedsstaaten vereint. Verschiedene Arbeitsgruppen dieser geschichtspolitischen Initiative arbeiten an Standards für die Erinnerung an den Holocaust in Europa und der Welt. Welche Bedeutung gibt die ITF der Chiffre Holocaust, und wie interpretiert sie das Schlagwort Holocaust-Education? Neben der ITF befassten sich zuletzt verschiedene internationale Tagungen mit Menschenrechtsbildung als Perspektive gegenwartsbezogener Geschichtsdidaktik. Eignen sich Genozid- und Menschenrechtskonventionen als Bezugspunkt einer pädagogischen Aktualisierung und Universalisierung der Holocaust-Erinnerung? Andere erinnerungspolitische Tendenzen der letzten Dekade fokussierten Totalitarismus oder Stalinismus, Bombenkrieg oder Flucht und Vertreibung als Kern europäischer Geschichte. Wie positioniert sich die ITF, insbesondere die Education Working Group zu diesen konkurrierenden Erinnerungen? Führt die angestrebte Transnationalisierung und Universalisierung letztlich zur Entkontextualisierung und Entpolitisierung des Geschichtsbildes? . Ralf Steckert (Hannover - Lüneburg):
"Pop-History"-X –
Zur Universalisierung von Leiderfahrung und Gewaltausübung im kollektiven Gedächtnis der Berliner Republik Vielerlei Formate der Kultur- und Medienproduktion greifen nationale historische Themen auf, prägen sie neu, speisen sie in eine globale mediale Zirkulation von Angeboten ein und verbinden sich mit konkreten politischen Vorhaben unterschiedlicher Akteure. U.a. bei der "Patriotismusdebatte" zur Fußball WM 2006 kamen die Ergebnisse zur Sprache. Zur Flut solch populärer Produktionen zählen Historytainment-Sendungen, deutsche Filmproduktionen und seit 2001 ebenso die "Neueste Deutsche Welle" wie spektakuläre historische Doku-Romane und der an die nationale Gemeinschaft mahnende Werbetrailer "Du bist Deutschland!". Nicht zuletzt bestimmten auf gesellschaftlichem Parkett inszenierte, vergangenheitspolitische Gedenktage die Vermittlung von "Nationalgeschichte". In einem ständigen Zusammenspiel von schablonenhaften Anspielungen politischen Personals auf die historische Verantwortung oder moderne Gründungsmythen mit der genannten Kulturproduktion entsteht hier ein gemeinsamer "Intertext" oder ein "semiotisches Netzwerk", das kaum mehr Unterschiede einräumt. Ein "entpolitisiertes" Verständnis von Geschichte, welches je nach Bedarf seine moralische Lehre aus einer konstruierten »Erinnerung« zieht und es für jeweilige Interessen dienstbar macht oder machen lässt, droht die Folge zu sein. Unbrauchbares wird "vergessen". Die Veranstaltung findet in Raum V410 statt.
Erinnerungskultur für Europa?
Zur Transnationalisierung und Universalisierung des Holocaust-Gedenkens
In der zum Ende des letzten Jahrhunderts gegründeten Task Force for International Cooperation on Holocaust Education, Rememberance and Research (ITF) sind inzwischen 27 Mitgliedsstaaten vereint. Verschiedene Arbeitsgruppen dieser geschichtspolitischen Initiative arbeiten an Standards für die Erinnerung an den Holocaust in Europa und der Welt. Welche Bedeutung gibt die ITF der Chiffre Holocaust, und wie interpretiert sie das Schlagwort Holocaust-Education? Neben der ITF befassten sich zuletzt verschiedene internationale Tagungen mit Menschenrechtsbildung als Perspektive gegenwartsbezogener Geschichtsdidaktik. Eignen sich Genozid- und Menschenrechtskonventionen als Bezugspunkt einer pädagogischen Aktualisierung und Universalisierung der Holocaust-Erinnerung? Andere erinnerungspolitische Tendenzen der letzten Dekade fokussierten Totalitarismus oder Stalinismus, Bombenkrieg oder Flucht und Vertreibung als Kern europäischer Geschichte. Wie positioniert sich die ITF, insbesondere die Education Working Group zu diesen konkurrierenden Erinnerungen? Führt die angestrebte Transnationalisierung und Universalisierung letztlich zur Entkontextualisierung und Entpolitisierung des Geschichtsbildes? . Ralf Steckert (Hannover - Lüneburg):
"Pop-History"-X –
Zur Universalisierung von Leiderfahrung und Gewaltausübung im kollektiven Gedächtnis der Berliner Republik Vielerlei Formate der Kultur- und Medienproduktion greifen nationale historische Themen auf, prägen sie neu, speisen sie in eine globale mediale Zirkulation von Angeboten ein und verbinden sich mit konkreten politischen Vorhaben unterschiedlicher Akteure. U.a. bei der "Patriotismusdebatte" zur Fußball WM 2006 kamen die Ergebnisse zur Sprache. Zur Flut solch populärer Produktionen zählen Historytainment-Sendungen, deutsche Filmproduktionen und seit 2001 ebenso die "Neueste Deutsche Welle" wie spektakuläre historische Doku-Romane und der an die nationale Gemeinschaft mahnende Werbetrailer "Du bist Deutschland!". Nicht zuletzt bestimmten auf gesellschaftlichem Parkett inszenierte, vergangenheitspolitische Gedenktage die Vermittlung von "Nationalgeschichte". In einem ständigen Zusammenspiel von schablonenhaften Anspielungen politischen Personals auf die historische Verantwortung oder moderne Gründungsmythen mit der genannten Kulturproduktion entsteht hier ein gemeinsamer "Intertext" oder ein "semiotisches Netzwerk", das kaum mehr Unterschiede einräumt. Ein "entpolitisiertes" Verständnis von Geschichte, welches je nach Bedarf seine moralische Lehre aus einer konstruierten »Erinnerung« zieht und es für jeweilige Interessen dienstbar macht oder machen lässt, droht die Folge zu sein. Unbrauchbares wird "vergessen". Die Veranstaltung findet in Raum V410 statt.