Geschlechterarrangements unter neoliberalem Druck. Weshalb die Reproduktionsperspektive integraler Bestandteil linker Politik sein muss

Der Widerspruch zwischen dem Bedarf reproduktionsbezogener Arbeiten einerseits und ihrer gesellschaftlichen Anerkennung sowie strukturellen Berücksichtigung andererseits verschärft sich zunehmend. Dieser Widerspruch betrifft Frauen, da sie im Bereich von Care-Work die Hauptverantwortung tragen. Das Ernährer-Hausfrauen-Modell, mit dem das Reproduktionsproblem kapitalistischer Gesellschaften in Deutschland einst (für kurze Zeit) gelöst erschien, ist sowohl von den strukturellen Bedingungen her als auch aus nachvollziehbaren Gründen kulturell weitgehend passé. Das Problem selbst aber bleibt: Who cares?

Die Krisenerscheinungen unserer Gesellschaft, z.B. die Erosion existenzsichernder Beschäftigungsverhältnisse, die zunehmende Prekarisierung der Lebensbedingungen sowie der Abbau sozialstaatlicher Sicherungssysteme, betreffen beide Geschlechter. Allerdings verweist ein genauerer Blick auf die Lastenverteilung, dass hier vor allem Frauen die Kosten zu tragen haben.
Der neoliberale Umbau der Gesellschaft trifft sie – abhängig vom klassen- und ethnischen Hintergrund – anders als Männer.  In der Frage danach, wer die Reproduktionsarbeit übernimmt, liegt ein blinder Fleck auch linker Gesellschaftskritik und Politikkonzepte, den es zu beheben gilt. Denn zunehmende Kinderlosigkeit, rasantes Wachstum eines ungeschützten, ethnisierten Arbeitsmarktes im Pflegesektor oder in der Familie sowie der Verschleiß der Kräfte derer, die Lohn- und Sorgearbeit unter prekären Bedingungen individuell zusammen bringen müssen, zeugen heute bereits von einer Reproduktionskrise mit weitreichenden gesellschaftlichen Konsequenzen.