Klopfzeichen aus dem Betrieb -- Einladung zu einer Auseinandersetzung mit Christian Riechers

Was heißt eigentlich Betrieb? Warum neigen selbst radikale Kritiker_innen des Kapitalismus dazu, den »Betrieb« als an und für sich rationale Produktionsweise zu akzeptieren? Wieso verfallen noch kritische Betriebsräte häufig in einer Art »Betriebspatriotismus«, wo es doch darauf ankäme, politische Strategien jenseits der Betriebsmauern zu entwickeln? Was bedeutet also proletarische Öffentlichkeit?

Das sind Fragen, um die das eigentümliche Werks des Hannoveraner Politologen Christian Riechers (1936-1993) kreist und denen er im Rahmen seiner Anstrengung einer »historischen Kritik der Kategorien naiver Sozialwissenschaft« nachgegangen ist. Gegen die »stalinodemokratische« Arbeiterverwaltungsbewegung setzt er die Arbeiterselbstbefreiungsbewegungen. Seine Schriften markieren im Reigen der deutschen Linken eine Ausnahme, weil sie marxistische Orthodoxie mit dem subversiven Witz unbefangener Kritik vereinen. Riechers’ Ausgangspunkt ist die linkskommunistische Kritik am beginnenden Stalinismus und mehr noch der Zusammenhang von Arbeiterbewegung und Faschismus. Faschismus, womit zunächst der italienische gemeint ist, analysiert er als Ergebnis eines verloren gegangenen – und verloren gegebenen Klassenkampfes. Man kann ihn mit Fug und Recht als ersten deutschsprachigen Gramsci-Forscher bezeichnen. Während wenige Jahre nach 1968 bereits enttäuschte Linke ihre letzte Zuflucht im Werk Antonio Gramscis suchen, geht es Riechers um radikale materialistisch-historische Kritik: um die Verstrickung Gramscis in proto-stalinistischer Parteipolitik und spätbürgerlich-jakobinischer Ideologie. Riechers’ Unbestechlichkeit macht nicht vor dieser linken Ikone halt: Der erste Gramsci-Forscher ist zugleich der erste Kritiker. Riechers, ein Schüler des Rätekommunisten Willy Huhn, war seit 1971 Dozent an der Universität Hannover, 1973 rief er dort das »Projekt Arbeiterbewegung« ins Leben und begleitete es bis zu seinem frühen Tod. 1978 gab er Ignazio Silones »Der Fascismus« neu heraus, in den siebziger Jahren rehabilitiert er für die deutsche Linke den verfemten ersten Generalsekretär der italienischen KP: Amadeo Bordiga. Die Buchvorstellung wird in das Werk Christian Riechers’ exemplarisch einführen und darstellen, warum Riechers lieber von Arbeiterbewegungen und eben nicht von »der Arbeiterbewegung« sprach. Christian Riechers. »Die Niederlage in der Niederlage. Texte zu Arbeiterbewegung, Klassenkampf, Faschismus«, Herausgegeben von Felix Klopotek, Unrast Verlag, Münster 2009 (576 Seiten, 28 Euro). Informationen zum Buch: http://www.unrast-verlag.de/unrast,2,257,17.html