Vernähungen zwischen Körper, Geist, Gesellschaft. Vom Bruch zur Einheit

Im Rahmen der Reihe Kritische Nachwuchswissenschaftler_innen: Isabelle Hannemann (Hannover). Das Formensteckspiel --Dimensionen des weiblichen Sadismus im Kontext neuerer psychoanalytischer Ansätze und Jens Ihnen (Hannover): Widersprüchliche Wünsche -- Kritische Betrachtungen zu Subjekt und Objekt zwischen Individualitätsbehauptungen und kollektiven Identitätskonstruktionen

Jens Ihnen (Hannover):
Widersprüchliche Wünsche – Kritische Betrachtungen zu Subjekt und Objekt zwischen Individualitätsbehauptungen und kollektiven Identitätskonstruktionen Der Begriff der Identität hat nach wie vor Konjunktur. Quer durch die gesellschaftliche und mediale Landschaft wird er verwendet. Auch die wissenschaftlichen Kämpfe, die sich um Grenzen, Reichweiten und Inhalte dieses Begriffs drehen, reißen nicht ab und tragen selbst etwas von einer Suchbewegung hinsichtlich mehr Konsistenz und Konstanz bei. Identität als nationale, ethnische, geschlechtliche ist in aller Munde und dennoch viel zu wenig untersucht. Besonders bizarr wirken die kollektiven identitätstheoretischen und -politischen Interventionen in ihrem scheinbaren Widerspruch zur gängigen These zunehmender Individualisierung in der postmodernen Risikogesellschaft. Es werden aus einer kritischen Perspektive Überlegungen zu Ursachen, Wirkungen und Funktionsweisen der Ambivalenz zwischen den beiden Polen Individualität und kollektiver Identität angestellt. Ausgehend von neueren psychoanalytischen Ansätzen und der kritischen Theorie Horkheimers und Adornos steht dabei insbesondere das brüchige Verhältnis zwischen
subjektiven Freiheitswünschen, objektiven Anpassungsforderungen sowie deren psychischer Umsetzung im Mittelpunkt. Isabelle Hannemann (Hannover):
Das Formensteckspiel – Dimensionen des weiblichen Sadismus im Kontext neuerer psychoanalytischer Ansätze Den Schuh der weiblichen Sanftmut und Mütterlichkeit können sich Frauen wie Irma Grese, Aileen Wuornos oder Lynndie England nicht anziehen. Dennoch scheinen folternde Frauen, Mörderinnen und Kinderschänderinnen gänzlich aus dem geschlechterstereotypen Rahmen zu fallen, während ihre Taten die Schablone dessen, was als sadistisch und grausam bezeichnet wird, offenbar glänzend ausfüllen. Der uns einsichtige weibliche Sadismus stellt keine Ausnahme von der Friedfertigkeitsregel dar, er verweist auf Differenzen zwischen Theorie und Tatsache, zwischen der psychoanalytischen – am männlichen Subjekt entwickelten – Konzeption und ihrer Übertragbarkeit auf das weibliche Subjekt. Ziel dieses Beitrags ist es, jene theoretischen Säulen zu skizzieren, auf denen ein differenziertes, trag- und entwicklungsfähiges Konzept des weiblichen Sadismus’ fußen kann. Dies erfordert an erster Stelle eine Analyse jener Brüche, die sich zwischen der präformierten (psychoanalytischen) Wahrnehmung einerseits und der sadistischen – zum Teil in der so genannten »Normalweiblichkeit« aufgehenden – Auslebung andererseits, auftun. Das zweite Standbein des Theoriegebäudes erfasst und definiert den Sadismus als Perversion. Die Betrachtung bedarf der Einordnung in den Kontext der Genese von Weiblichkeit unter Berücksichtigung der spezifisch weiblichen Körpererfahrung wie sie von Estella V. Welldon betont wird. Im Focus steht hierbei die These, dass Frauen, deren Körperempfinden, sexuelles Erleben und soziales Gefüge von dem des Mannes verschieden, d.h. nicht zwangsläufig genital zentriert (aber sozial überformt) ist, sexuelle Gewalt ebenso anders, ihrer eigenen Topographie der Lust und ihrem »Möglichkeitsraum« entsprechend, ausleben. Ein dritter Eckpfeiler schließlich führt Sprach-, Raum- und Körperdimensionen zusammen, indem er Vornahmen »der Frau« an ihrem eigenen Körper, am (eigenen) Kind, sowie sexuelle Gewalt und Grausamkeit gegen andere als Varianzen ein und desselben »körpersprachlichen«, nach außen gerichteten Ausdrucks begreift. Der Beitrag der Referentin nähert sich den Dimensionen des weiblichen Sadismus aus sozialpsychologischer Perspektive unter Berücksichtigung neuerer psychoanalytischer Ansätze zu Körperraum, -wahrnehmung und -sprache.