3. Sozialforum in Deutschland. Für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Natur

Das 3. Sozialforum in Deutschland findet im Wendland statt. Es ist Teil des Weltsozialforums und arbeitet auf der Grundlage der Charta von Porto Alegre. Auch die Rosa Luxemburg Stiftung Niedersachsen ist 2009 mit einigen Angeboten der politischen Bildung dabei.

Das 3. Sozialforum in Deutschland steht kurz bevor. Vom 15. bis 18. Oktober 2009 treffen sich Menschen aus sozialen Bewegungen und Institutionen, um sich über ihre Vorstellungen einer gerechten, friedlichen und ökologischen Gesellschaft auszutauschen. Eine Vielzahl interessanter Workshops, Seminare und kultureller Veranstaltungen mit einem breiten thematischen Spektrum verspricht interessante Diskussionen über gesellschaftliche Alternativen. Hitzacker im Wendland ist in diesem Jahr der Ausrichtungsort des Sozialforums. Dort ist das soziale Engagement allgegenwärtig, Zeichen der Anti-Atom-Bewegung finden sich in den meisten Vorgärten. Nicht zuletzt deshalb ist Hitzacker ein viel versprechender Veranstaltungsort für das diesjährige Sozialforum (externer Link in neuem Fenster folgtwww.sozialforum2009.de) Die Rosa Luxemburg Stiftung beteiligt sich auch in diesem Jahr wieder als Veranstalterin und Kooperationspartnerin mit einer Reihe von Veranstaltungen am Sozialforumsprozess in Deutschland. Hier eine Übersicht:
  • "Privatisierung in Deutschland - Bilanz und Ausblick"
Nach zwei Jahrzehnten Privatisierung - also dem Verkauf öffentlicher Unternehmen und der Vergabe öffentlicher Dienstleistungen an Private - sind die Ergebnisse klar und sie sind katastrophal, jedenfalls für die öffentliche Seite und für die Mehrzahl der Bürger. Alle wesentlichen Versprechungen wurden nicht eingelöst: die öffentlichen Kassen bei Bund, Ländern und Kommunen sind noch mehr verschuldet als zuvor, der Wettbewerb ist noch weiter eingeschränkt, die Leistungen sind in der Regel teurer, der Service ist schlechter, die Arbeitslosigkeit ist noch höher, auch durch den europaweit einzigartigen Abbau von Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst. Die Mehrheit der Bürger ist nach Umfragen 2008 inzwischen zu etwa 80 Prozent gegen weitere Privatisierungen. Dagegen übt die zusätzliche Staatsverschuldung aufgrund der Bankenrettung weiteren Druck in Richtung Privatisierung aus. Diese Situation besteht in der gesamten EU. Die Frage steht: Wie kann die Mehrheitsstimmung politisch und durch Aufklärung unterstützt, bestärkt und zum Erfolg geführt werden? Referent: Werner Rügemer (freier Publizist und Sachbuchautor)
  • Organizing in den USA: kämpferische Gewerkschaften oder Sozialpartnerschaft? Das Beispiel der NUHW
In der Bundesrepublik wurden in den letzten Jahren durch ver.di, die IG Metall und andere Einzelgewerkschaften neue Formen der betrieblichen Gewerkschaftspolitik erprobt. Insbesondere in Bereichen, in denen die Beschäftigten stark mit der Verschlechterung ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen zu kämpfen haben, in denen Löhne nicht oder nur knapp die Existenz sichern wie in Dicountern, Sicherheitsunternehmen, Krankenhauskantinen usw., soll so für eine Verbesserung der Situation eingetreten werden. Vorbild war und ist die Kampagne der Reinungskräfte in den Bürohochhäusern in Los Angeles, USA, die durch den Ken Loach-Film Brot und Rosen eindrücklich dokumentiert wurde. Doch aktuell hat sich in den USA ein heftiger Konflikt um die Ziele der "Organizing"-Politik entwickelt. Die Gesundheitsgewerkschaft NUHW tritt in diesem Konflikt für eine kämpferische und demokratische Gewerkschaftspolitik ein, die in einem Gegensatz zu den "sweetheart deals" steht, den die Dienstleistungsgewerkschaft SEIU in letzter Zeit mit den Unternehmern im Pfelegbereich und in den Krankenhaus verabredet hat. Wir sprechen mit Sal Rosselli über die Politik seiner Organisation und die Konsequenzen sowie die "Übersetzbarkeit" des oben genannten Konflikts auf bundesdeutsche Verhältnisse. Referenten: Peter Birke (Uni Hamburg, RLS-Projekt "Prekarisierung und kollektive Organisierung", Gruppe "Blauer Montag"), Sal Rosselli (Präsident der National Union of Healthcare Workers, USA)
  • Der Kita-Streik –Arbeitskampf neuer Qualität?
Wir diskutieren den Verlauf des Kita-Streiks: Gestreikt wurde vor allem von und für Frauen, die darauf bestanden, dass sich die hohe gesellschaftliche Bedeutung ihrer Arbeit in höherer Bezahlung und besseren Arbeitsbedingungen niederschlägt. Die Forderungen erhoben sie laut und massiv trotz allgemeiner Krisendiskurse und den leeren Kassen der Kommunen. Der zwiespältige Tarifabschluss kam für viele überraschend  und zu früh in Anbetracht der kämpferischen Stimmung in den Betrieben. Wo Kinderbetreuung stark privatisiert ist (Beispiel Hamburg) muss jetzt eh weiter darum gekämpft werden, dass die Verbesserungen wirklich bei den Beschäftigten ankommen. Welche Perspektiven ergeben sich aus den Erfahrungen dieses Sommers? ReferentInnen: Ronald Prieß (Landesvorstand GEW, Hamburger Bürgerschaftsfraktion Die Linke), Sabine Lafrentz (Betriebsrätin, GEW-Fachgruppenleiterin Kinder- und Jugendhilfe), Iris Nowak (Sozialökonomin, RLS-Projekt "Prekarisierung und Organisierung", Redaktion analyse&kritik)
  • „In der Krise kommt der Staat zu sich selbst“ – Nur was ist dieses Selbst?
Die Krise brachte uns eine unüberschaubare Menge an Interventionen der verschiedenen Staaten. Dass das nichts mit Sozialismus zu tun hat, ist klar – aber wohin führt der eingeschlagene Weg? Wie können soziale Bewegungen reagieren? Gibt es gar Chancen, die staatlichen Interventionen zu wenden und doch emanzipatorische Ansätze zu stärken? Referent: Lutz Brangsch (Rosa-Luxemburg-Stiftung, Wirtschaftswissenschaftler, Projekte zu Direkter Demokratie, Sozial- und Wirtschaftspolitik) Themenachse: Ökologie und Energiepolitik
  • Diskussion zum AK-Sonderheft "Die Linke und die sozialökologische Frage. Klima, Kämpfe, Kopenhagen"
Die Diskussion soll zum einen die Mobilisierung zu Aktionen gegen die herrschende Klimapolitik unterstützen. Zum anderen soll sie klären helfen, was "linke Klimapolitik" und "linke Ökologiepolitik" bedeuten und was das wiederum für linke bzw. sozialistische Gesellschaftspolitik heißt. In diesem Zusammenhang wird das Konzept vom sozialökologischen Umbau vorgestellt. Referentin: Judith Dellheim (Ökonomin, Bewegungsaktivistin und freiberufliche Mitarbeiterin der Rosa-Luxemburg-Stiftung) Themenachse: Globale Friedenspolitik und ihre lokalen Konsequenzen
  • Forum "Globale Friedenspolitik und ihre lokalen Konsequenzen"
Das Forum zeichnet die globalen Konfliktlinien nach und versucht eine Einschätzung der zu erwartenden "Friedenspolitik" der neuen Bundesregierung. Dazu wird die militärisch gewaltförmige und die zivile gewaltfreie Dimension gegenübergestellt nicht nur im globalen sondern auch im lokalen Zusammenhang, um Perspektiven für eine wirkliche Friedenspolitik zu entwickeln. ReferentInnen: Ute Finck (Bund für soziale Verteidigung), Björn Kunter (Bund für soziale Verteidigung), Erhard Crome (Rosa Luxemburg Stiftung, Referent Friedens- und Sicherheitspolitik)
  • Diskussion zu den "Auswertungsmaterialien zur Kampagne des 60. Geburtstages der NATO in Straßburg/Kehl/Baden-Baden"
Zeitgleich zum Sozialforum findet in Berlin eine internationale Arbeitskonferenz zur Fortsetzung der "No-Nato-Kampagne" statt. Dennoch sollten einige Probleme zur Strategie linker Akteure, die in den "Materialien" aufgeworfen sind, in Hitzacker diskutiert werden. ReferentInnen: Judith Dellheim (Ökonomin, Bewegungsaktivistin und freiberufliche Mitarbeiterin der Rosa-Luxemburg-Stiftung), Peter Delis (Referent für Bündnisarbeit, DIE LINKE. Fraktion im Hessischen Landtag) Themenachse: Internationale Solidarität statt Volksgemeinschaft
  • Antifaschismus im gesellschaftlichen Kontext
Die neonazistische Bewegung in Deutschland macht eine rasante, wenngleich enorm widersprüchliche Entwicklung durch, deren Dynamik noch weit tragen könnte. Zwischen biederer Professionalisierung und rassistischen Gewaltausbrüchen reiht sich da der gescheitelte Parlamentsabgeordnete neben dem „freien Kameraden“, der HJ-Fan in bündischer Kluft neben dem „Autonomen Nationalisten“ ganz in schwarz ein, der ewig-gestrige „Alte Sack“ neben dem alerten Kommunalpolitiker, die brutpflegende Stammesmutter neben der kämpfenden Kameradschaftsführerin, der Zupfgeignhansel neben dem NS-Blackmetal-Rocker, der besoffene Nazi-Skin neben dem braunen Jungunternehmer, der treu-doofe Bannerträger der Bewegung neben einem IT-bewanderten Rechtsterroristen ein. Und was hat das alles mit der Gesellschaft zu tun, innerhalb derer und – zum Teil – unter deren Schutz sich diese „soziale Bewegung“ formiert. In seinem Vortrag will Fritz Burschel einen Überblick über die Entwicklungen geben, um Durchblick zu verschaffen und dann an wirksamen Gegenstrategien jenseits rotierender Hamsterräder weiter zu diskutieren. Referent: Fritz Burschel (Rosa-Luxemburg-Stiftung, Referent Rechtsextremismus) Themenachse: Innere Sicherheit
  • Gegen schleichende innere Militarisierung und Überwachung
Innere Sicherheit wird seit 9/11 noch größer geschrieben als je zuvor. Der Sicherheitsstaat benutzt die Terroranschläge, um immer massivere Eingriffe in die Bürgerrechte durchzusetzen und präventiv bürgerliche Freiheiten einzuschränken. Die Ausuferungen staatlichen Überwachungswahns sind bekannt. Zugleich registrieren, überwachen und kontrollieren staatliche Stellen bei immer mehr Gelegenheiten. Egal was wir tun, mit wem wir sprechen oder telefonieren, wohin wir uns bewegen  oder fahren, mit wem wir befreundet sind, wofür wir uns interessieren, in welchen Gruppen wir uns engagieren – der große Bruder Staat und seine kleinen Brüder und Schwestern aus der Wirtschaft wissen es schon und immer genauer. Daraus resultiert ein Mangel an Privatsphäre und Vertraulichkeit, der unsere Gesellschaft gefährdet. Menschen, die sich ständig beobachtet und überwacht fühlen, können sich nicht unbefangen und mutig für ihre Rechte und eine gerechte Gesellschaft einsetzen. Überwachungsdruck hat zur Folge, dass die Menschen anfangen, sich konform zu verhalten. Sie gehen nicht mehr den aufrechten Gang, sondern achten genau darauf, was von staatlicher Seite erwartet wird und wie sie verhindern können, in bestimmte Dateien aufgenommen zu werden. Die Folge ist ein weniger an Demokratie und Freiheit. Innere und äußere Sicherheit werden von den Politikern zunehmend als Einheit definiert, grundgesetzliche Schranken zwischen dem Einsatz militärischer und polizeilicher Mittel fallen zusehends. So forderte im Rahmen der Anhörung zum Luftsicherheitsgesetz, dass im Falle terroristischer Angriffe vom Polizeirecht zum Kriegsrecht übergegangen werden soll. Referentinnen: Natalie Krieger (Rosa-Luxemburg-Stiftung), Annette Mühlberg (ver.di-Bundesvorstand)
  • Armuts- und Reichtumsberichterstattung am Beispiel Niedersachsens
Das Thema 'Armut und Reichtum' ist in der öffentlichen Debatte nicht zuletzt wegen der dramatischen Kinderarmut präsent. In Niedersachsen wird alljährlich ein 'Armuts- und Reichtumsbericht' von Seiten der Landesregierung in Auftrag gegeben und veröffentlicht. Aus diesen Berichten sind inhaltlich und methodisch auch für den Gebrauchswert einer linken Debatte wichtige Erkenntnisse hervorgegangen. In dem Workshop sollen zum einen der 'Armuts- und Reichtumsbericht Niedersachsen' in seinen Grundzügen vorgestellt werden und in einer anschließenden Debatte Schlussfolgerungen für die Erstellung derartiger Berichte auch für die kommunale Ebene gezogen werden. Referent: Patrick Humke-Focks (MdL, DIE LINKE. Fraktion im Hessischen Landtag) Ausblick und Zukunft der Sozialforen
  • Abschlussveranstaltung
Wir freuen uns Gökhan Bicici von unserem Kooperationspartner TAREM (Toplumsal Araştırma ve Eğitim Merkezi/Zentrum für Soziale Forschungen und Bildung) für einen Redebeitrag auf der Abschlussveranstaltung am Sonntag gewonnen zu haben. Gökhan Bicici ist in die Planungen zum Europäischen Sozialforum 2010 in Istanbul involviert und kann uns aus erster Hand von den bisherigen Planungstreffen und dem Stand der Dinge berichten. Zum Abschluss des 3. Sozialforums in Deutschland wird er eine Einordnung in und einen Ausblick auf die internationale Entwicklung der Sozialforen geben.