Publikation Arbeit / Gewerkschaften - Ungleichheit / Soziale Kämpfe - Wirtschafts- / Sozialpolitik - Staat / Demokratie - Gesellschaftliche Alternativen - Sozialökologischer Umbau Rüstungskonversion und alternative Produktion

Modelle für einen demokratisch-ökologischen Umbau der Automobilindustrie?

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CC BY 2.0, S_Johovac / flickr

Bernd Röttger

Rüstungskonversion und alternative Produktion – Modelle für einen demokratisch-ökolo-gischen Umbau der Automobilindustrie?

Impulsvortrag im Gesprächskreis Zukunft der Automobilindustrie der Rosa Luxemburg Stiftung Niedersachsen, 10. Februar 2017, Wolfsburg

Als infolge der Finanzkrise 2007 auch der Welthandel einbrach und insbesondere die exportorientierten Industrien in eine tiefe Krise stürzte, entstand die Debatte über Konversion, also die Entwicklung neuer Produkte für neue Märkte, um Arbeitsplätze zu sichern, wie Phönix aus der Asche neu. Konzentrierte sie sich in den 1970er/80er Jahren vor allem auf die Rüstungsindustrie, rückten nun – unter den Bedingungen der Doppelkrise von kapitalistischer Weltökonomie und globalem Klima – die zentralen Branchen der Exportindustrie (vor allem die Automobilindustrie, aber auch der Maschinenbau) in ihren Mittelpunkt.

Hans-Jürgen Urban, Mitglied des Bundesvorstands der IG Metall, sprach in einem Interview mit der SoZ. Sozialistische Zeitung 2009 (Heft 7-8) nüchtern davon, dass in der Krise bestimmte Betriebe aufgrund ihres Spezialisierungsprofils kaum überleben werden können. In solchen Fällen müsse „im Rahmen einer ökologischen Umbaustrategie über ganz andere Produkte und eine andere Art des Produzierens nachgedacht werden“. Für Urban liefen solche betrieblichen Sanierungsfälle „auf eine forcierte Konversionsstrategie hinaus“.

Die gewerkschaftliche und betriebliche Praxis schien dieser Empfehlung zu folgen, wenn sie ihr nicht teilweise vorausging: Der damalige Bevollmächtigte der IG Metall Verwaltungsstelle Unterelbe, Uwe Zabel, bewirkte beim Hersteller von Vakuumpumpen (Sterling SiHi) am Fertigungsstandort Itzehoe 2009 ein betriebliches Innovationsprogramm, bei dem Belegschaft und Betriebsrat in Zusammenarbeit mit dem lokalen Management Vorschläge für neue Produkte, Arbeitsprozesse und Unternehmenskultur entwickelten. Sieghard Bender, 2013 verstorbener Bevollmächtigter der IG Metall in Esslingen, reagierte 2009 auf die dramatischen Einbrüche in der Produktion des auf die Automobilwirtschaft und den US-amerikanischen Markt ausgerichteten mittelständisch geprägten Werkzeug-maschinenbaus und der krisenpolitisch abgerungenen Kurzarbeitsregelung mit der Einrichtung von Gesprächskreisen in der IG Metall Verwaltungsstelle, in der sich Teile der Belegschaften, die Vertrauensleute und Betriebsräte über alternative Produktion verständigen sollten: die Möglichkeit, mit den vorhandenen Produktionsmitteln andere Produkte für andere Märkte zu produzieren. Die „große Industrie“ (Marx), etwa die Endhersteller des Automobilbaus, Hochburgen gewerkschaftlicher Organisation und sonst eher Lokomotiven tarifpolitischer Entwicklungen, dümpelten hinter. Aber auch bei der Volkswagen AG wurde im Haustarifvertrag vom Februar 2010 dem Unternehmen neben der (in Standortsicherungsvereinbarungen eher obligatorischen) Beschäftigungsgarantie für mehrere Jahre ein neuer Innovationsfonds abgerungen, der allein auf das Ziel gerichtet ist, neue Beschäftigungsfelder zu erschließen. Über die Verwendung der Mittel sollten Management und der Betriebsrat korporativ entscheiden.

Diese Initiativen versandeten (oder traten zumindest deutlich in den Hintergrund) als die ungleiche Entwicklung des kapitalistischen Weltmarkts 2010 eine neue Welle der Konjunktur bewirkte, auf der die deutschen Exportindustrien – auch die Automobil-wirtschaft – vorwiegend zwar mit alten Produkten, aber auf neuen Märkten (vor allem China, Russland) surfen und ihre Krise überwinden konnten.

Konversion (im weitesten Sinn) bezeichnet offensichtlich nicht nur eine gegen kapitalistische Restrukturierung gerichtete Umbaustrategie, sondern kann auch eine ihnen gleichgerichtete Entwicklung bedienen. „Die wahre Schranke der kapitalistischen Produktion“, so heißt es bei Marx im dritten Band des Kapital (MEW 25, 260), „ist das Kapital selbst“. Genauso wie Marx aber kurz vorher im „Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate“ von „entgegenwirkenden Ursachen“ spricht, „welche die Wirkung des allgemeinen Gesetzes durchkreuzen und aufheben und ihm nur den Charakter einer Tendenz geben“ (242), gelingt es dem Kapital auch immer wieder auch seine ihm immanente Krisen- und Schrankenproduktion (auch) durch Konversion (Produktumstellungen,  Spezialisierungen, Produktdiversifizierungen, neue Geschäftsfelder) zu überwinden.

Idealtypisch lassen sich zwei Typen einer solchen kapitalimmanenten Konversion unterscheiden: Erstens eine staatsgetriebene Konversion, die das Kapital an die „Kette der gesetzlichen Regulation“ legt (so Marx über den „Werwolfsheißhunger“ des Kapitals auf Mehrarbeit (MEW 23, 258) und seine Tendenz zu „freier Menschenverwüstung“ (499), die die Quellen des Mehrwerts untergräbt), oder seine Unfähigkeit, aus sich selbst heraus Krisen zu überwinden, mit staatlicher Intervention beantwortet. Das prominenteste Beispiel solcher staatsvermittelten Konversion sind rechtskeynesianische Rüstungspro-gramme, denen sich nicht nur die Faschisten der 1930er Jahre bedienten. Zweitens weltmarkt- bzw. konkurrenzgetriebene Formen der Konversion, in denen Verschiebungen in der Hierarchie der internationalen Arbeitsteilung und neue, weltmarktgesetzte „Produktions- und Tausch- normen“ (Michel Aglietta) bzw. neue Wachstums- und Konsummärkte den Unternehmen den Umbau der Produktion aufherrschen. Exemplarisch für solche Formen der marktgetriebenen Konversion fungiert etwa der finnische Nokia-Konzern, der sich mit verallgemeinernder Alphabetisierung in den entwickelten Kapitalismen als Papierfabrik 1865 gründete, sich mit der aufkommender Konsum- und Freizeitindustrie im beginnenden 20. Jahrhundert zum Produzenten von Gummistiefeln und Fahrradreifen wandelte, um schließlich in den 1980er Jahren zum Telekommunikationsdienstleiter zu mutieren.

In der geschichtlichen Wirklichkeit haben sich solche Konversionen immer als Folge einer Gemengelage aus Schranken kapitalistischer Verwertung, staatsvermittelten Versuchen der Krisenüberwindung, marktgetriebenen Prozessen und betrieblichen Anpassungen, manchmal auch unter dem Druck von Belegschaften und organisierter Arbeiter- bzw. Gewerkschaftsbewegung zur Abwehr gängiger Muster kapitalistischer Restauration Gestalt gewonnen.

Mit dem sog. ‚Abgasskandal’ von Volkswagen, der nicht nur die Marke, nicht nur den Konzern, sondern auch andere Hersteller (Opel, Renault) und Zulieferer (Bosch) involvierte, verstärkt durch die von allen Endherstellern geschönten Verbrauchswerte moderner Pkws (nicht nur für Diesel), gepaart mit dem anhaltenden Klimawandel, ist die Frage einer ökologischen Konversion zurück. Auch weil sich die Vorstände (von VW) trotz der in den USA erzwungenen Strafzahlungen von 12-15 Mrd. € weiterhin selbstgefällig den vom Aufsichtsrat legitimierten Abfindungs- und betrieblichen Rentenzahlungen bedienen, das verursachende Prinzip des Dieselgate, das in der durchgesetzten Unternehmens-reorganisation realisierte Prinzip straffer Profitsteuerung aller Abteilungen, ignorieren, steht ein ganzen Modell kapitalistischer Produktion und ihrer Kontrollmodi zur Disposition. Die Frage der Konversion entsteht notwendig als Frage einer demokratisch-ökologischen Konversion neu. – Zeit also über Formen und Bedingungen von Konversion neu nachzudenken, statt Konversion – vielleicht vorschnell – zum Allheilmittel einer Transformation des vorherrschenden kapitalistischen Entwicklungsmodells zu erklären.

I.

Stilbildend für die Konversionsdebatten und -strategien der 1970er und 1980er Jahre waren die Konflikte beim Zulieferer der Luftfahrtindustrie Lucas Aerospace in Großbritannien 1976. Als das Management in der ersten Welle der Weltwirtschaftskrise 1974/75 (erneut) Pläne zum Abbau von 4.000 der bislang 15.000 Beschäftigungs-verhältnissen im hochgradig von Rüstungs-aufträgen abhängigen Unternehmen bekannt machte, bildeten die (verschiedenen) Gewerkschaften im Unternehmen ein gemein-sames shop stewards combine committee, das im Januar 1976 einen Plan zum Umbau der Produktion – den corporate plan – vorstellte (Wärmepumpen, Ultraschallgeräte, Hybrid--motoren). Er verstand sich als Element eines Kampfes „für das Recht auf Arbeit an vernünftigen Produkten…, um die wirklichen Probleme der Menschen zu beseitigen statt sie zu erzeugen“. – Erstmals wurde ein gewerkschaftlicher Kampf um den Erhalt von Arbeitsplätzen mit einem  Kampf um die Entwicklung einer gebrauchswert-orientierten Produktpalette verknüpft.

Die gewerkschaftlichen Aktivisten im Betrieb betraten nicht nur darin Neuland; auch ihre betriebliche Praxis wich deutlich von den eingeschliffenen Mustern stellvertretender Interessenpolitik ab. Um die Möglichkeiten anderer Produkte auszuloten, wurden intensive Gespräche mit den unmittelbaren Produzenten, den Beschäftigten, geführt und ihre zusätzlichen Qualifikationsanforderungen abgefragt. Diese Erfahrungen wurden mit dem Wissen der Techniker und Ingenieure (damals als wissenschaftlich-technische Intelligenz oder neue Arbeiterklasse bezeichnet) in Beziehung gesetzt. Während der Arbeitszeit wurden alternative Komponenten produziert, Besprechungen und Marktanalysen durchgeführt:  wo können die neuen Produkte, die wir produzieren können, realisiert werden? So gelang nicht nur die Aktivierung (und Politisierung) der unmittelbaren Produzentenwissens, sondern auch, ein breites betriebliches Bündnis für Konversion zu schmieden.

Die Konversionsbewegung bei Lucas Aerospace verfolgte aber noch ein anderes Ziel. Ihr ging es nicht nur um das was der Produktion, sondern auch um das wie. Die Bewegung zielte auf eine Demokratisierung betrieblicher Entscheidungsprozesse, um die Verfügungsgewalt des Kapitals über die Verwendung der Produktionsmittel und damit über die Art der Produkte und die kapitalistische Dispositionsgewalt über die lebendige Arbeit zu brechen. Die Protagonisten verstanden ihren Plan als einen Schritt „zu mehr industrieller Demokratie“. Sie waren überzeugt, dass sich „wirkliche industrielle Demokratie“ nicht „auf Arbeiterrepräsentation im Aufsichtsrat beschränken“ kann. Dort würden ohnehin nur Entscheidungen getroffen, „die längst vom oberen Management vorstrukturiert sind“ (alle Zitate aus dem corporate plan aus: Ulrich Albrecht, Alternative Produktion: Das Beispiel Lucas Aerospace, in: Kritisches Gewerkschaftsjahrbuch 1978/79: Arbeiterinteressen gegen Sozialpartnerschaft, Berlin/W. 1979, 204-216).

Die Rüstungskonversion der 1970er Jahre konstituierte sich als Moment einer demokratischen Gegenmacht zu vorherrschenden Formen traditioneller kapitalistischer Krisenbewältigung zu Lasten der Beschäftigten. Dieser Anspruch ist in Großbritannien relativ früh gescheitert. Die Konzernspitze war not amused, als ihre Belegschaft mit eigenständigen Konzepten des betrieblichen Umbaus das restaurative Management eines muddling-through unter Druck setzte. Der betriebliche Gewerkschafts-aktivist Mike Cooley, der die Konversionsdebatte bei Lucas Aerospace maßgeblich prägte, musste die ungebrochene Kapitalmacht schmerzlich erfahren, als er 1981 entlassen wurde und das Unternehmen zum business-as-usual zurückkehren konnte.

Das Ende der Konversionsdebatte bei Lucas Aerospace markierte jedoch zugleich den Beginn einer Bewegung für alternative Produktion in der BRD. Im Herbst 1981 gründete sich der erste Arbeitskreis Alternative Produktion (resp. Alternative Fertigung) bei der Blohm und Voss AG in Hamburg. Die zweite Welle der Weltwirtschaftskrise 1980/82 erfasste infolge des weltwirtschaftlichen Aufstiegs sog. New Industrialized Countries in standardisierten Produktionen auch die bundesdeutsche Schiffbauindustrie, die zudem hochgradig rüstungsabhängig war. Bis Mitte der 1980er Jahre bildeten sich in der BRD über 40 betriebliche Arbeitskreise Alternative Produktion (nicht nur) in Bremen, Hamburg, Emden oder Kiel, sondern etwa auch in Nürnberg bei AEG.

Sie folgten dem Muster der britischen Praxis: Vertrauenskörper und Betriebsräte aktivierten alle Teile der Belegschaften und arbeiten dann kooperativ an alternativen Produktionskonzepten. Für den Fall, dass wissenschaftliche Kompetenzen in den Betrieben aufgrund ihrer Stellung im Konzernverbund nicht vorhanden waren, wurde von der IG Metall Bezirksleitung Küste eine Innovationsberatungsstelle eingerichtet. Der IG Metall Gewerkschaftstag im Oktober 1983 unterstützte die betrieblichen Arbeitskreise (zunächst) in ihren Initiativen zur „Umstellungen auf andere Produkte auf der Basis hochentwickelter Technologie“, ihren Forderungen nach „erweiterter Mitbestimmung und Kontrolle“ der Unternehmen, in der „die Beschäftigten ihr Qualifikationspotential und ihre Interessen einbringen und durchsetzen  können“,  indem er die Gründung von  Arbeitskreisen Techniker, Ingenieure, Naturwissenschaftler in der IG Metall beschloss.

Obwohl die betrieblichen Initiativen in der BRD von einem breiten gesellschaftlichen Bündnis getragen wurden, das mit der Friedensbewegung in einer organischen Verknüpfung von neuen sozialen Bewegungen und (alter) Arbeiterbewegung gipfelte, obwohl sie durch ausgefeilte makroökonomischer Konzepte begleitet wurden (das Gutachten der Memorandumsgruppe Alternativen der Wirtschaftspolitik trug 1982 den Titel: Qualitatives Wachstum) scheiterten auch ihre Ansätze der Verknüpfung von gebrauchswertorientierter Produktion und Demokratisierung der Arbeit.

II.

Aller betrieblichen Mobilisierungen und Politisierungen, aller theoretisch-makroökonomischen Fundierung und Flankierung, aller Versuche der demokratischen Konstitution regionaler Wirtschafts- und Strukturräte als Kontrollorgane betrieblicher Restrukturierung zum Trotz, gelang es den betrieblichen Konversionsbewegungen nicht, ihre umfassenden Ziele durchzusetzen.

Die Gründe dafür sind teilweise banal, nie aber monokausal. Tatsächlich sind demokratische Konversionsansätze nicht nur betrieblich, sondern auch gewerkschafts- und gesellschaftspolitisch voraussetzungsvoll. Sie  scheiterten nicht nur an der „konzentrierten gesellschaftlichen Macht“ des Kapitals (Marx), sondern auch an den bröckelnden Voraussetzungen, demokratische Gegenmacht zu konstituieren.

  1. Als eine strukturelle Grenze alternativer Produktion fungierten immer wieder die aus den Eigentumsverhältnissen resultierenden Verfügungsrechte der Kapitalbesitzer an den Produktionsmitteln. Allein die Forderung nach Einrichtung einer paritätisch besetzten Kommission zur Diskussion und Auswertung von Produktvorschlägen der Arbeitskreise stieß oft auf das kategorische Nein der Geschäftsführungen – so beispielsweise bei VFW/MBB in Bremen (Vereinigte Flugtechnische Werke, Teil des Luftfahrtkonzerns Messerschmitt-Bölkow-Blohm). Aber auch staatliche Eigentumsformen, etwa bei der Howaldtswerken-Deutsche Werft AG in Hamburg, änderten daran nichts. Nach forcierter Rationalisierung und Entlassungswellen bereits zu Beginn der 1970er Jahre wurden die verbleibenden Werke der  HDW 1985 an Blohm und Voss verkauft. Alternative Produktionsformen wurden erst gar nicht zugelassen. Zudem gelang es kaum, andere Formen wirtschaftsmächtiger wirtschafts-demokratische Kontrolle zu etablieren (etwa durch regionale Wirtschafts- und Strukturräte).   
  2. Betriebliche Rüstungskonversionsbewegungen entfalteten sich vor dem Hintergrund einer breiten gesellschaftlichen Bewegung gegen Nachrüstung (Nato-Doppelbeschluss vom Dezember 1979). Trotz des breiten gesellschaftlichen Bündnisses zwischen aufgeklärtem Bürgertum, neuen sozialen Bewegungen und Arbeiterklasse in der Friedensbewegung konnten sich betriebliche Konversionsbewegungen nie flächendeckend entfalten; sie blieben auf einige Hochburgen gewerkschaftlicher Organisation beschränkt. In Regionen, wie der Waffenhochburg Oberndorf am Neckar, deren politische Ökonomie hochgradig von der Waffenproduktion abhängt (Heckler & Koch, Rheinmetall), konnte die Konversionsbewegung nie Fuß fassen.
  3. Innerbetrieblich erfordern Konversionsbewegungen eine funktionierende Arbeiterbewegung im Betrieb und einen langen Atem. Die Konversionsbewegungen der 1980er Jahre sind vor allem von politisierten Kadern aus dem betrieblichen Vertrauenskörper initiiert worden, teilweise gegen bestehende Betriebsratsgremien durchgesetzt, vor allem aber erst in massivem Konflikt mit dem Kapital (oft: im Zuge von Betriebsbesetzungen) konstituiert worden. Eine betriebliche Konversionsbewegung, die den Anspruch einer demokratischen Bewegung formuliert, setzt zudem die intensive Auseinandersetzung und Diskussion mit den Beschäftigten voraus. Einmal etabliert, muss die Arbeit an der Entwicklung neuer Produkte und der Erforschung neuer Märkte aus Dauer gestellt werden. In der Regel brauchten funktionsfähige Arbeitskreise Alternative Produktion bis zur Entwicklung eines Konzeptes mindestens 2 Jahre.
  4. Gewerkschaftspolitisch basierten die betrieblichen Konversionsbewegungen auf einer neuen Form der Gewerkschaftspolitik im Betrieb. Die aber muss jenseits der eingeschliffenen Bahnen dualer Interessenpolitik (Gewerkschaft/Betriebsrat) von den zuständigen Gewerkschafts-gliederungen nicht nur zugelassen, sondern auch aktiv unterstützt werden. Zu einem Problem der Arbeitskreise Alternative Produktion wurde, dass geforderte betriebsübergreifende Arbeitskreise – infolge fehlender initiativer Koordination der IG Metall – nicht zustande kamen. Alternative Produktion blieb endhersteller-zentriert. Zulieferbeziehungen, d.h. die Auswirkungen von Konversion beim Endhersteller auf die politische Ökonomie der Wertschöpfungskette, konnten kaum thematisiert werden.

Es kam, wie es kommen musste: die abebbende Friedensbewegung, die anhaltende Rationalisierung der Produktion, die die Belegschaften unter erhöhten Druck setzte, die bröckelnde Unterstützung der betrieblichen Arbeitskreise durch den gewerkschaftlichen Funktionärskörpers entzogen der Konversionsbewegung sukzessive die Voraussetzungen, auf denen sie ihren demokratisch-gebrauchswertorientieren Ansatz der Produktionserneuerung gegenüber dem Kapital durchsetzen konnten. Als nach 1989, dem Ende des Kalten Krieges infolge der Implosion des sozialistischen  Weltsystems, zunehmend von einer Friedens-Dividende geredet wurde, die durch Rüstungskonversion zu erheischen sei, wurde kaum mehr an die Traditionen der Rüstungskonversionsbewegung angeknüpft. Die EU stellte Fördermittel und -töpfe zur Verfügung, die Gewerkschaftsspitzen konzentrierten sich in der Tradition konventioneller regionalen Strukturpolitik auf tripartistische und korporatistische Krisen- und Umbauarrangements, die Gewerkschafts-spitzen, staatliche Instanzen sowie Unternehmen samt ihrer Verbände einschlossen. Noch bestehende Arbeitskreise Alternative Produktion wurden erst gar nicht mehr zu diesen Krisen- und Umbauarrangements angehört. Konversion degradierte (wieder) zu einer unternehmensdominierten Modernisierungs-strategie, die – im Rahmen bestehender Mitbestimmungsgesetze – zwar Betriebsräte involvierte aber nun in ein betriebliches Innovationsmanagement einsaugte. Komplett abgesprengt wurde der einst demokratiepolitische Gehalt der Konversionsbewegungen. Es gelang teilweise die Umstellung der Rüstungs- auf eine Friedensproduktion; die Abwälzung von Krisen- und Umbaufolgen auf die Belegschaften blieb ungebrochen. Wem das reicht… Der eigentliche Anspruch der Konversionsbewegungen jedenfalls blieb unabgegolten.

III.
Die Restrukturierung der Automobilindustrie nimmt infolge des Abgasskandals 2016 an Fahrt auf. Der Druck auf die Beschäftigten ebenso. Wiederum ist es eine Gemengelage aus den aus der schrankenlosen Kapitalverwertung resultierenden Schranken der kapitalistischen Akkumulation selbst, den Marktkräften, die auf der einen Seite auf Kapitalkonzentration und Kapitalvernichtung, also den Abbau von Überkapazitäten und auf Ausschaltung von Konkurrenz in der Weltautomobilindustrie zielen, auf der anderen Seite, wenn ein dominierender Absatzmarkt (China) Zielvorgaben für E-Mobile formuliert, Anpassungen erzwingt, und staatlichen Regulierung zur Förderung von Elektromobilität, die die kapitalimmanenten Konversion vorantreibt.

Die Bedingungen einer demokratisch-ökologischen Konversion dagegen können als denkbar schlecht bezeichnet werden: Weder besteht heute eine organische Verknüpfung zwischen betrieblichen Bewegungen, die allein um den Erhalt der materiellen Reproduktion der Beschäftigten ringen, und gesellschaftlichen Bewegungen, die sich heute in der Kritik an einer unökologischen Lebensweise begnügen, noch ist innerbetrieblich und gewerkschaftspolitisch erkennbar, dass eine Arbeiterbewegung im Betrieb, unterstützt durch gewerkschaftliche Organisationen, Belegschaften politisch zu mobilisieren vermag, um das Kapital und seine Sparprogramme, die allen den Beschäftigten aufgebürgt werden und endgültig alle Werke auf Renditekurs bringen sollen (während die Managementgehälter auf 12 Mio. €/Jahr beeindruckend gedeckelt werden), eine wirkungsmächtige Gegenmacht entgegenzusetzen vermögen, um in eine Auseinandersetzung um Konversion zu treten.

Derweil üben sich Management und Aufsichtsrat in gegenseitigem Schuldzuweisen und die Betriebsräte in Schadensbegrenzung. Der als Transform 2025 plus betitelte Zukunftspakt zwischen VW-Vorstand und Betriebsrat vom Herbst 2016 beinhaltet kaum mehr als Bekanntes aus bisherigen Standortsicherungs- und Investitionsvereinbarungen: Stammbelegschaften sind bis 2025 von betriebsbedingten Kündigungen ausgenommen (über den noch bestehende Stand der Leiharbeit wird scheinbar Stillschweigen vereinbart), im Gegenzug sichert Volkswagen den Umbau des Konzerns auf die Zukunft der Mobilität vor. Der Betriebsratsvorsitzende Bernd Osterloh zeigt sich zuversichtlich: „Mit dem Zukunftspakt schaffen wir bei Volkswagen […] den Einstieg in die E-Mobilität der nächsten Generation. Mit diesen Autos werden wir uns an die Spitze der Industrie setzten. Der Betriebsrat hat in den Verhandlungen um den Zukunftspakt dafür gesorgt, dass diese Zukunftsautos in Deutschland gebaut werden.“

Tatsächlich bewirkt die angestoßene kapitalimmanente Konversion weg von den Verbrennungsmotoren hin zum Elektromotor und dem autonomen Fahren aber eine dramatische Verschiebung in den bestehenden Verflechtungs- und Hierarchiestrukturen in der automobilen Wertschöpfungskette. Mit der sukzessiven Umstellung der Antriebstechnologie fallen z.T. zentrale Kompetenzfelder nicht nur der Endhersteller, sondern auch der zentralen Zulieferer  weg: keine Motoren, kein Getriebe, keine Ventile, keine Kurbelwellen, keine Lichtmaschinen, keine Turbolader usw. mehr Es entstehen neue strategische Akteure: völlig neue Anbieter/Konkurrenten (bislang: Tesla) und neue Zulieferer (vor allem in der Speichertechnologie, aber auch in der digitalen Technologie des autonomen Fahrens), die die bisherigen Machtverhältnisse zwischen Endherstellern und Zulieferern deutlich durcheinander wirbeln werden.

Aus den Erfahrungen der Rüstungskonversion der 1970er/1980er Jahre lassen sich Bedingungen eruieren, auf denen betriebliche Konversionsbewegungen entstehen konnten/können. Ihre Praxen bieten jedoch keine Blaupausen, auf denen eine demokratisch-ökologische Konversion der Automobilindustrie heute neu auf den Weg gebracht werden kann. Dies vor allem deshalb, weil die Produktionsbeziehungen in der Automobilindustrie – im Unterschied zum Schiffbau der 1970/80er Jahre – schon immer wesentlich komplexer in (zunehmend globale) Zulieferbeziehungen verstrickt waren. Das erfordert neue Ansätze, um nicht früh ‚an die Wand’ zu fahren. In der sich abzeichnenden globalen Restrukturierung der Automobilindustrie werden eingeschliffene Machtbeziehungen in der Wertschöpfungskette und den Zulieferbeziehungen gehörig durcheinander gewirbelt werden. Die Fähigkeit der Endhersteller, Anpassungskosten nach unten abzuwälzen und darüber auch Bedingungen für einen innerbetrieblichen Klassenkompromiss (halbwegs) zu zementieren, werden im aktuellen Restrukturierungsprozess deutlich brüchiger. Noch bestehende Macht von Betriebsräten und Gewerkschaftsgliederungen können natürlich dafür genutzt werden, den sich abzeichnenden radikalen Strukturwandel bei den Endherstellern wie bisher korporativ mitzugestalten, eigene Vorschläge einzubringen, diese aber nur, wenn sie sich den Unternehmenszielen unterordnen, die nicht zur Disposition gestellt werden. Die Erfahrung zeigt, dass die immer rigoroseren Zugeständnisse, die den Belegschaften auferlegt werden, so nicht abgewendet werden können. Möglich aber auch, dass die sich abzeichnende Verengung betrieblicher Kompromissräume genutzt wird, das Konzept einer demokratischen Konversion wieder zu beleben. Das wäre des Schweißes der Edelsten aus den Belegschaften, dem Vertrauenskörper, den Betriebsräten, den lokalen Gewerkschaftsgliederungen angesichts der aktuellen Situation würdig.

Dr. Bernd Röttger ist Sozialwissenschaftler, Autor und Redakteur der Zeitschrift Das Argument. Zeitschrift für Philosophie und Sozialwissenschaften; zahlreiche Veröffentlichungen zur Politische Ökonomie des Kapitalismus, zu Theorie, Geschichte und Politik der Arbeiterbewegung, zur Staats- und Regulationstheorie und zu gewerkschaftspolitischen Fragen; Buchveröffentlichungen u.a. Neoliberale Globalisierung und eurokapitalistische Regulation. Die politische Konstitution des Marktes, Münster 1997; Im Schatten der Globalisierung. Strukturpolitik, Netzwerke und Gewerkschaften in altindustriellen Regionen, Wiesbaden 2006.