Nachricht | Städtebaulicher Vertrag

«Shenzhen City Planning Exhibition Hall in Jan 2017», Yauaaisnhaongwaix, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Der städtebauliche Vertrag nach § 11 BauGB dient dazu, Investor*innen zur Erfüllung städtebaulicher Aufgaben zu verpflichten. Dazu gehört unter anderem die Bereitstellung von Wohnraum für benachteiligte Bevölkerungsgruppen. Zudem kann die Kommune Teile ihrer Arbeit und ihrer Kosten im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben an den*die Investor*in abgeben. So werden Pflichten und Lasten der öffentlichen Hand, die durch städtebauliche Maßnahmen entstehen, an Investor*innen abgegeben.

Ziele des Instruments

  • Investor*innen an den Planungs- und Erschließungskosten beteiligen
  • Sozialen Wohnraum schaffen bzw. sichern
  • Bodenpreisentwicklung dämpfen
  • Soziale Infrastruktur ausbauen bzw. sichern


Wirkungsweise

Der städtebauliche Vertrag nach § 11 BauGB kann zu verschiedenen Zwecken geschlossen werden. Dazu gehört, dass sich der*die Bauherr*in/Investor*in verpflichtet, städtebauliche Aufgaben zu übernehmen, aber auch „die Förderung und Sicherung der mit der Bauleitplanung verfolgten Ziele“ (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 BauGB) und die Übernahme von Kosten durch den*die Bauherr*in/Investor*in, „die der Gemeinde für städtebauliche Maßnahmen entstehen oder entstanden sind und die Voraussetzung oder Folge des geplanten Vorhabens sind“ (§ 11 Abs. 1 Nr. 3 BauGB). Solche Kosten sind etwa Erschließungskosten und die Bereitstellung von öffentlicher Infrastruktur (etwa Kindergärten und Nahversorgung). Dabei können nur solche Aufgaben in den Vertrag aufgenommen werden, die mit dem Bauprojekt in Zusammenhang stehen. Städtebauliche Verträge nach § 11 BauGB werden in der Regel im Vorfeld von städtebaulich relevanten Bauvorhaben geschlossen und bilden mitunter die Grundlage für öffentlich-private Partner*innenschaften.
Aus Perspektive einer sozialen Wohnungspolitik ist insbesondere die Möglichkeit interessant, im Rahmen von städtebaulichen Verträgen städtebauliche Ziele wie die sozial gerechte Wohnraumversorgung (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 BauGB) aufgrund der Möglichkeit, die Kosten nach Nr. 3 umzulegen, durchzusetzen. So können über städtebauliche Verträge zum Beispiel Quotenregelungen für sozialen Wohnraum für die Neubauprojekte festgelegt werden. Die Kommune hat das Recht, vor der Schaffung von Baurecht auf den Abschluss eines städtebaulichen Vertrags zu bestehen. Oft stehen städtebauliche Verträge also mit einem Bebauungsplanverfahren oder einer Baugenehmigung im Zusammenhang. Durch den Abschluss eines städtebaulichen Vertrags kommt kein Anspruch auf eine Änderung des Bebauungsplans zustande.
Städtebauliche Verträge können auch in anderen Fällen, zum Beispiel als Abwendungsverträge zum Einsatz kommen, etwa wenn die Kommune ihr Vorkaufsrecht ausüben, eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme durchführen oder eine Enteignung erwirken möchte. Außerdem kann der Abschluss eines städtebaulichen Vertrags auch zur Voraussetzung dafür gemacht werden, dass die Kommune Grundstücke verkauft, etwa im Rahmen der Schaffung eines kommunalen Bodenfonds.


Vorteile

  • Die Genehmigung von Baumaßnahmen kann davon abhängig gemacht werden, ob befriedigende städtebauliche Verträge abgeschlossen worden sind.
  • Die Kommune kann kommunale Aufgaben erfüllen lassen, ohne selbst direkt zu investieren.


Nachteile

  • Für jedes Projekt ist eine Verhandlung nötig.
  • Da städtebauliche Verträge für einzelne Projekte ausgehandelt werden, ist ihr jeweiliger Einfluss auf den gesamten Wohnungsmarkt gering.
  • Der einzige starke Hebel, den die Kommune hat, um einen städtebaulichen Vertrag ohne große Zugeständnisse an den*die private*n Vertragspartner*in zu erwirken, ist die Schaffung von Baurecht.
  • Häufig wird der Verhandlungsspielraum von Kommunen nicht ausreichend genutzt und investor*innenfreundliche Verträge abgeschlossen.


Fallbeispiel

Die Stadt Oldenburg listet in einem online verfügbaren Dokument auf, welcherlei Vereinbarungen bisher (Stand: November 2016) zwischen der Stadt und privaten Bauherr*innen in städtebaulichen Verträgen getroffen worden sind. Davon ist im engeren Sinne sozialpolitisch zum einen die Schaffung von sozialer Infrastruktur. Hierbei handelt es sich um Infrastruktur, die mit dem konkreten Bauvorhaben in direktem Bezug steht – eine Kindertagesstätte etwa kann Teil eines städtebaulichen Vertrags werden, wenn durch ein Bauprojekt mehr Kinder in einem Quartier zu erwarten sind. Zum anderen ist eine  Quotenregelung für sozialen Wohnraum vereinbart worden. Die angesetzte Quote der Wohnungen, die an Personen mit geringem Einkommen vermietet werden sollen und deren Nettokaltmiete für zehn Jahre 6,00 €/m² nicht überschreiten darf (dies gilt ergänzend zu Regelungen zur Verwendung von Fördergeldern des Landes und der Stadt), liegt bei zehn Prozent. Es reicht hierbei nicht aus, entsprechende Wohnungen im Bestand nachzuweisen – sie sollen im Geltungsbereich des Vertrags neu geschaffen werden.


Bewertung des Instruments

Städtebauliche Verträge sind eine Form freiwilliger öffentlich-privater Zusammenarbeit. Die Kommune ist daher in einer vergleichsweise schwächeren Position als die privaten Grundbesitzer*innen, sofern diese nicht auf den Vertrag angewiesen sind. Die Verträge berücksichtigen – auch aufgrund der Standortkonkurrenz zwischen den Kommunen – neben sozialen Aspekten auch die Interessen der privaten Vertragspartei. Daher ist ihnen prinzipiell der kommunale Grundbesitz vorzuziehen, zumal die Kommune durch ihn generell bessere Steuerungsmöglichkeiten hat. Ein städtebaulicher Vertrag ermöglicht keinen wirklichen Zugriff auf Privatbesitz. Durch städtebauliche Verträge kann eine Kommune zwar einen Teil ihrer Pflichten an die Vertragspartner*innen abgeben, sie ist aber auch auf die Kooperation der Privaten angewiesen.
Städtebauliche Verträge haben dennoch Vorteile: Die Kommune spart öffentliche Ausgaben, die mit privaten Bauprojekten verbunden sind, und kann planungsbedingte Wertsteigerungen abschöpfen. Zudem kann sie auf die Bebauung einzelner Grundstücke Einfluss nehmen, was die Entwicklungen des Wohnungsmarkts jedoch nicht sehr stark beeinflusst. Kommunen sollten grundsätzlich immer städtebauliche Verträge abschließen, wenn sie nicht über Erbbaurechte vertragliche Vorgaben machen können.


Literatur

  • Birk, Hans-Jörg (2020): Städtebauliche Verträge. Inhalte und Leistungsstörungen. Stuttgart.
  • Hendricks, Andreas (2006): Einsatz von städtebaulichen Verträgen nach § 11 BauGB bei der Baulandbereitstellung – eine interdisziplinäre theoretische Analyse und Ableitung eines integrierten Handlungskonzeptes für die Praxis. Dissertation. Darmstadt. Online verfügbar unter: https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de.
  • Lenz, Christofer; Würtenberger, Thomas (2011): BauGB-Verträge. Leitfaden für Gemeinden und Investoren. Stuttgart.
  • Stadt Oldenburg (2016): Regelungen im städtebaulichen Vertrag. Oldenburg (Oldb). Online verfügbar unter: https://www.oldenburg.de.

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