Nachricht | Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme

Eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme nach § 165 BauGB ist eine hoheitliche Gesamtmaßnahme, die zum Ziel hat, unter kommunaler Regie künftiges Bauland kostengünstig und schnell zu entwickeln. Dank der Möglichkeit, Flächen günstig zu kaufen und nach Abschluss der Maßnahme zu einem höheren Preis zu verkaufen, kann die Kommune die Bodenwertsteigerung nutzen, um Kosten, die in Folge der Schaffung von Baurecht entstehen, teilweise oder vollständig zu decken. Dieser starke kommunale Zugriff auf den Boden kann auch Anreiz für Grundbesitzer*innen sein, die Entwicklungsmaßnahme selbst durchzuführen und eine Ausgleichszahlung für die Bodenwertsteigerung zu entrichten. Eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme muss für die Stadtentwicklung hohe Relevanz haben.

Ziele des Instruments

  • Planungsbedingte Bodenwertsteigerungen bei der Kommune belassen und/oder für soziale Wohnraumversorgung einsetzen
  • Ausreichende Wohnraumversorgung sicherstellen
  • Brachflächen reaktivieren


Wirkungsweise

Die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme dient dazu, zügig neue Bauflächen auszuweisen. Hierfür muss die Kommune anhand einer vorbereitenden Untersuchung nachweisen, wie sie durch die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme signifikante städtebauliche Defizite beheben möchte. Im so identifizierten Gebiet wird nach Genehmigung durch eine höhere Verwaltungsbehörde ein städtebaulicher Entwicklungsbereich per Satzung festgelegt. Im städtebaulichen Entwicklungsbereich kann die Kommune (oder ein*e Treuhänder*in) Bauland mobilisieren, indem sie Grundstücke für ihren Verkehrswert kauft, also ungeachtet der im Zuge des Bauvorhabens erwartbaren Wertsteigerung. Solche Käufe sind dann möglich, wenn Grundstücke für die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme beplant werden sollen und die Besitzer*innen die erforderlichen Baumaßnahmen nicht im Rahmen von Abwendungsverträgen (städtebauliche Verträge) selbst durchführen möchten. Falls ein*e Besitzer*in nicht willens ist, ein für die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme wichtiges Grundstück in einem städtebaulichen Entwicklungsbereich zu veräußern oder einen Abwendungsvertrag zu verhandeln, kann ein Enteignungsverfahren initiiert werden. Vor Beginn der Entwicklungsmaßnahme muss die Kommune nachweisen, dass sie in der Lage ist, die Maßnahme zu finanzieren.
Die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme unterscheidet sich insofern von einer städtebaulichen Sanierungsmaßnahme, als dass die Kommune Zugriff auf den Boden bekommen kann und somit den Besitzer*innen des Bodens gegenüber in einer besseren Verhandlungsposition ist. Es besteht allerdings eine Reprivatisierungspflicht nach der Neuordnung und der Erschließung der Grundstücke. Hierbei dürfen die Einnahmen aus den Verkäufen die Ausgaben für die Entwicklungsmaßnahme nicht überschreiten. Der Boden soll vorrangig seinen ehemaligen Besitzer*innen zurückverkauft werden, im zweiten Schritt soll er weiten Kreisen der Bevölkerung angeboten werden. Sofern es dem durch die vorbereitenden Untersuchungen festgelegten Zweck der Entwicklungsmaßnahme entspricht, können Grundstücke auch im Erbbaurecht vergeben werden. Prinzipiell denkbar ist auch der Weiterverkauf an kommunale Wohnungsbauunternehmen, sofern diese besser als Private dem Zweck der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme entsprechen können. Ob eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme wirksam im Sinne einer sozialen Wohnungspolitik ist, hängt davon ab, welche anderen Instrumente die Kommune im Anschluss nutzt. Hier kommen Erbbaurechte, Konzeptvergaben, städtebauliche Verträge oder Auflassungsvormerkungen, die einen Weiterverkauf an Dritte verhindern, in Frage.

Vorteile

  • Die Kommune kann relativ günstig Boden erwerben, um wichtige Vorhaben der Siedlungsentwicklung und des Städtebaus umzusetzen. Spekulation wird erschwert.
  • Flächen können einfacher baureif gemacht werden, wenn alle Grundstücke in einer Hand sind.
  • In einem städtebaulichen Entwicklungsbereich können Enteignungen leichter durchgeführt werden.


Nachteile

  • Das Verfahren ist aufwendig; die Kommune benötigt entsprechendes Fachpersonal.
  • Es muss geeignete Flächen geben.
  • Eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme kann mit dem Klima- und Umweltschutz im Konflikt stehen.
  • Falls die Kommune die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme selbst durchführt, muss sie diese zunächst finanzieren können und geht mit dem Kauf von Flächen sowie mit Enteignungen ein finanzielles Risiko ein.


Fallbeispiel

In Augsburg-Pfersee wurde 1992 mit der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme „Mühlbachviertel“ begonnen.  Es handelte sich hierbei um die Aktivierung einer Industriebrache im Innenbereich. Es wurde frühzeitig ein Abwendungsvertrag und somit eine öffentlich-private Partner*innenschaft mit einem Investor eingegangen. In erster Linie wurde verdichteter Geschosswohnungsbau für 1700 Menschen geschaffen, zum Teil durch sozialen Wohnungsbau.
Die Stadt wurde vor allem durch Forderungen aus der Bevölkerung motiviert, neuen Wohnraum zu schaffen. Argumente, die für eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme sprachen, waren erhöhter Wohnungsbedarf und die Lagegunst der Fläche. Die Stadt und der Investor, dem das Areal gehörte, einigten sich vor Durchführung der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme auf einen Abwendungsvertrag. Ein Problem, das hierbei auftrat, war, dass die Stadt dem Investor keine Zusagen bezüglich der Dichte der genehmigten Bebauung machen durfte, die vom Investor zu leistenden Ausgleichszahlungen jedoch vom zu erwartenden Profit und somit von der Bebauungsdichte abhängig waren und bereits im Vertrag festgelegt werden sollten. Das Problem wurde gelöst, indem man sich auf von den Geschossflächen abhängig gestaffelte Ausgleichsbeträge einigte.
Zu den Zielen der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme gehörte auch der Bau öffentlich geförderter Wohnungen. Hierzu übertrug der Investor Flächen an eine regionale gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft und bezuschusste die geförderten Wohnungen. Weitere Regelungen betrafen die Beplanung des Geländes und ihre Verbindlichkeit, die vom Investor zu schaffende öffentliche Infrastruktur, familiengerechtes Wohnen und die Kooperation zwischen Investor und Stadt.
Die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme war nach Einschätzung der Verwaltung sehr konfliktreich, was unter anderem an der Beteiligung der Bevölkerung lag. Es traten auch einige Konflikte in der Koordination mit dem Investor auf, die durch den Abwendungsvertrag und die Kompetenzteilung notwendig geworden war. Dennoch resümiert die Stadt, dass sie die verfolgten Ziele erreichen konnte.


Bewertung des Instruments

Die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme ist ein Instrument, mit dem die Kommune auch ohne Bodenbevorratung kurzfristig Boden für ein geplantes Entwicklungsvorhaben mobilisieren kann. Sie bietet sich insbesondere dann an, wenn der kommunale Haushalt keine umfangreichere Bodenbevorratung zulässt. Zur Schaffung von Wohnraum darf jedoch eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme nur dann durchgeführt werden, wenn die Kommune einen eindeutigen Bedarf an neuem Wohnraum nachweisen kann. Unter dieser Voraussetzung ist die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme ein gutes Mittel, den Bau günstiger Wohnungen zu ermöglichen (Neubau). Problematisch ist aber die anschließende Pflicht zur Reprivatisierung. Sollte der*die erstrangig zu berücksichtigende ehemalige Besitzer*in das Grundstück nicht zurück erwerben wollen, sollte aus Sicht einer sozialen Wohnungspolitik der Reprivatisierungspflicht ‚kreativ‘ durch Veräußerung an ein kommunales Unternehmen, durch Erbbaurechte oder durch  Konzeptvergaben Genüge getan werden. Welche dieser Varianten geeignet ist, hängt immer davon ab, welche Ziele die Entwicklungsmaßnahme verfolgt.
Eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme ist als hoheitliche Gesamtmaßnahme sehr komplex. Am besten holt sich die Kommune von anderen Kommunen Rat ein, die bereits städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen durchgeführt haben. Es sind nicht nur Konflikte mit den Alteigentümer*innen der Grundstücke im Planungsbereich möglich, sondern auch erhebliche finanzielle Mittel nötig, bis die neu geordneten Grundstücke verkauft sind bzw. Ausgleichsbeiträge erhoben werden können.
Die Entscheidung zur Neuordnung von Flächen oder zur Ausweisung neuer Baugebiete sollte immer die theoretische Durchführbarkeit einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme berücksichtigen. In den letzten Jahren wurden jedoch immer weniger städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen durchgeführt, weil immer mehr Regeln durch Gerichtsurteile vorgegeben wurden. Häufig werden städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen zur Außenentwicklung eingesetzt, die verschiedene Probleme mit sich bringt. Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen eignen sich aber auch dazu, Brachflächen im Innenbereich zu entwickeln.


Literatur

  • Bunzel, Achim; Lunebach, Jochem (1994): Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen. Ein Handbuch. Difu-Beiträge zur Stadtforschung 11. Berlin.
  • Dehne, Peter (2001): Die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme im Kontext des kommunalen Flächenmanagements. Teil 2: Fallstudien. Dissertation. Neubrandenburg.
  • Dürsch, Hans-Peter (2002): Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen mit Wohnungsbau, an Beispielen aus den neuen Bundesländern (1990 – 1999). Dissertation. München. Online verfügbar unter: https://mediatum.ub.tum.def.
  • Junges Forum Konstanz (2016): Was sind städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen – und warum?. Online verfügbar unter: https://jungesforumkonstanz.de.

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