Dokumentation Audiomitschnitt der Veranstaltung "Überwachung - Berufsverbote - Angriff auf die Demokratie"

Veranstaltung zum 50. Jahrestag des sog. Radikalenerlass

Information

Zeit

12.10.2022

2022 jährt sich zum 50. Mal der von den Ministerpräsidenten der Bundesländer unter Vorsitz von Bundeskanzler Willy Brandt verabschiedete sog. Radikalenerlass, der vermeintliche „Verfassungsfeinde“ vom Öffentlichen Dienst fernhalten sollte. Er führte zu einer jahrzehntelangen Verfolgung Andersdenkender, zu Berufsverboten vor allem für linke und systemkritische Oppositionelle und wirkt bis zum heutigen Tage nach. Auf der Basis von durch den Inlandsgeheimdienst „Verfassungsschutz“ gesammelten Daten wurde in den 1970er und 1980er Jahren der Bonner Republik einer Vielzahl von linken Oppositionellen der Zugang zum Öffentlichen Dienst verwehrt.

In Schulen und Hochschulen, aber auch bei Post und Bahn erhielten angebliche „Verfassungsfeinde“ Berufsverbot. Betroffen waren Kommunist:innen, andere Linke bis hin zu SPD-nahen Studierendenverbänden, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes VVN-BdA ebenso wie Gewerkschafter:innen, Sozialdemokrat:innen und in der Friedensbewegung engagierte Menschen.

Die Praxis der Berufsverbote wurde bereits 1987 von der Internationalen Arbeitsorganisation für rechtswidrig erklärt, und auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellte 1995 fest, dass sie gegen elementare Grund- und Menschenrechte verstößt. Im 50. Jahr nach der Verabschiedung des sog. Radikalenerlasses hat die Landesregierung von Brandenburg seine Neuauflage beschlossen. Wieder erhält der Inlandsgeheimdienst „Verfassungsschutz“ durch eine Regelanfrage die Deutungshoheit über die Verfassungstreue von Bewerber:innen für den Öffentlichen Dienst. Ausgerechnet den „Verfassungsschutz“, dessen nachweisliche Verstrickung in rechte Terrornetzwerke bis heute nicht aufgearbeitet ist und zu keinerlei Konsequenzen führte, mit der Jagd auf angebliche „Verfassungsfeinde“ zu betrauen, stellt einen erneuten Angriff auf die Demokratie in unserer Republik dar.

Der „Verfassungsschutz“, von ehemaligen Faschisten aufgebaut, unterliegt nahezu keiner wirklichen demokratischen Kontrolle. Neun von insgesamt dreizehn ehemaligen Präsidenten mussten ihr Amt wegen politischer Skandale oder Pannen bisher vorzeitig aufgeben, zuletzt der rechtslastige Hans-Georg Maaßen. Seit vielen Jahren wurde diese Behörde jedoch aufgebläht zu einem gigantischen Überwachungs- und Bespitzelungsapparat und mit umfangreichen Kompetenzen versehen.

IMSI-Catcher zum Abhören von Telefongesprächen, Handyortung mit heimlichen SMS oder Funkzellenabfragen, sog. Staatstrojaner: Zur Überwachung vermeintlich verdächtiger Personen, steht ein großes Arsenal an digitaler Technologie zur Verfügung. Gleichzeitig wird mit neuen Polizei- und Versammlungsgesetzen vielfach eine Polizeipraxis unterstützt, die bisher vor den Gerichten keinen Bestand hatte.

Der Datenschutz, aber auch die demokratischen Grundrechte aller Bürger:innen bleiben in unserer Gesellschaft zunehmend auf der Strecke – eine bedenkliche Entwicklung!

Auf dem Podium diskutierten:

  • Martina Dierßen, Rechtsanwältin, Leiterin der Rechtsabteilung und Justitiarin beim Ver.di Landesbezirk Niedersachsen-Bremen
  • Sebastian Friedrich, Sozialwissenschaftler, Journalist, Fernseh- und Rundfunkautor

50 Jahre Radikalenerlass: Die Jagd ist nicht vorbei!

Eine Veranstaltung der Niedersächsischen Initiative gegen Berufsverbote in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung Niedersachsen, dem ver.di Bildungswerk, der GEW Hannover, dem VVN/BdA Niedersachsen e.V und der Roten Hilfe e.V. Hannover

Die Aufzeichnung der Veranstaltung wurde durchgeführt durch Hubert Brieden von Radio Flora – Hannovers Webradio.

Audiomitschnitt der Veranstaltung

50 Jahre Radikalenerlass: Die Jagd ist nicht vorbei!

Details

2022 jährt sich zum 50. Mal der von den Ministerpräsidenten der Bundesländer unter Vorsitz von Bundeskanzler Willy Brandt verabschiedete sog. Radikalenerlass, der vermeintliche „Verfassungsfeinde“ vom Öffentlichen Dienst fernhalten sollte. Er führte zu einer jahrzehntelangen Verfolgung Andersdenkender, zu Berufsverboten vor allem für linke und systemkritische Oppositionelle und wirkt bis zum heutigen Tage nach.