Iljeania / Unferne - Die Nähe des Vergessens. Ein Gespräch zwischen Nuria Quevedo und Mercedes Alvarez

Über den Kampf der Internationalen Brigaden gegen den Franco-Faschismus existieren viele eindrucksvolle Dokumentationen, Filme und Biographien. Nun ist ein ungewöhnliches Buch dazu gekommen: Die Spanierinnen Mercedes Alvarez und Nuria Quevedo lassen uns an ihrem faszinierend lebendigen Dialog darüber teilhaben, dass - obwohl die selben historischen Ereignisse ihre Kindheit durchkreuzten - beider Leben diametral anders verlaufen ist.

Mercedes, die international erfahrene Dolmetscherin und Nuria, die erfolgreiche Malerin und Grafikerin, zeigen im Blickwinkel ihrer Erinnerungen, dass auch das Schicksal der Kinder der Partisanen und der Kämpfer im Exil Teil der Geschichte des antifaschistischen Widerstandes ist. Ihre realistische Beschreibung erlebter Wirren, Belastungen durch Einsamkeit, fremde Sprache, ungewohnte Lebensweise und ständiges Heimweh sind bewegend zu lesen. Beide Frauen kennen sich seit Jahrzehnten und haben die Wende in der DDR nicht nur als »Abschied vom Sozialismus« ihres Exil-Landes erlebt, sondern als Ereignisse, die die ganze Welt verändert haben. Mercedes sagt, dass man heute nicht mehr weiß, »... wohin wir mit dieser neuen Generation von ›ferngesteuerten Kriegen‹ noch geraten werden...« und Nuria bestätigt, dass das Jahr 1989 für sie »... wie ein Erdbeben gewesen sei.« Und was bleibt von der Utopie ihrer Eltern und deren Genossen, die die spanische kommunistische Partei im Exil wieder aufbauten, als Bestandteil des Kampfes gegen die spanischen Faschisten? Im Gespräch befragen die beiden Frauen ihre Erinnerungen und bewerten sie durchaus unterschiedlich. Vor allem die Erfahrungen mit ihren Eltern sind unvergleichlich - vollkommen konträr. Mercedes war erst zwei Jahre alt, als sie, genau wie ihre älteren Brüder - allerdings getrennt von ihnen - 1937 von ihrer Mutter in die Sowjetunion in Sicherheit gebracht wurde. Die drei Geschwister überlebten, wenn auch getrennt in verschiedenen Kinderheimen, voller Hoffnung, aber mit ständigem Heimweh, die Jahre des Zweiten Weltkrieges. Nur Mercedes darf 1946 zu den ihr noch völlig fremden Eltern nach Frankreich. Nach der Ausweisung des Vaters wegen seiner kommunistischen Betätigung erhält die Familie Asyl in der DDR. Nuria dagegen übersteht als Baby in den Armen ihrer sehr unselbständigen Mutter den Fußmarsch ins rettende Asyl in Frankreich. Beide kommen zusammen mit dem Vater 1942 paradoxer Weise nach Berlin. 1943 geht die Mutter allein mit ihr zurück nach Barcelona und 1952 mit falschen Papieren wieder in die DDR, wo bereits der Vater wohnt, der, wie sie sagt, die Familie rücksichtslos dominierte und nur das tat, was ihm wichtig war. Nuria fühlte sich gekränkt und reagierte depressiv.   Die Autorinnen widmen ihr offenherziges Nachdenken über politische Ereignisse wie 1953, 1968 und 1989 und ihre Gefühle dabei ihren Töchtern und Enkelkindern. Ihr Gespräch sollte auch uns zu einem Dialog zwischen den Generationen ermutigen! Ilejania - Unferne. Die Nähe des Vergessenen. Ein Gespräch, das mich bis zur letzten Seite in Atem gehalten hat.
 
Auszug aus der Rezension von Prof. Dr. Heinrich Fink  („antifa“ Sept./Okt.2006)